Der Schattenriss, als Scherenschnitt oder Zeichnung ausgeführt, war zwischen 1760 und 1830 in bürgerlichen und adeligen Kreisen sowohl unter Männern wie Frauen äußerst populär. In Salons und privaten Freundschaftszirkeln waren Silhouetten als leicht und günstig herzustellende Portraits beliebte SammelundTauschobjekte. Mechanische Hilfsmittel wie Silhouettierstühle oder Instrumente zur maßstabsgetreuen Verkleinerung des Schattenrisses waren weit verbreitet.
ANTIKENREZEPTION UND SCHATTENRISS
Gemäß der klassizistischen Kunstauffassung verband sich die Silhouette mit dem antiken Mythos von der Entstehung der Portraitkunst aus dem Schattenbild. Man übte sich in einer vermeintlich archaischen Praxis und erzeugte Bilder, die der griechischer Vasenmalerei glichen, welche im 18. Jahrhundert wiederentdeckt und künstlerisch aufgewertet wurde. Die handtellergroßen Portraits genossen daher auch unter Gelehrten einen ausgezeichneten Ruf. Durch das Sammeln von Silhouetten konnte man sich als Kenner antiker Kunst ausweisen.
VOM SILHOUETTIERSTUHL ZUM BEICHTSTUHL
Auftrieb erhielt das Silhouettieren überdies durch die Versuche des Pfarrers und Philosophen Johann Caspar Lavater (1741-1801), Schattenbilder als Ausdruck des menschlichen Charakters zu lesen. Er reduzierte Gesichter auf mechanisch erzeugte Profillinien und schloss dann von der äußeren Erscheinung auf die inneren Eigenschaften der portraitierten Menschen. Das Studieren einer Silhouette wurde nach dieser Theorie, die nicht unumstritten blieb, zur scheinbar objektiven Seelenschau.