Als hätte er nur kurz seine Lektüre unterbrochen, blickt David Hilbert (1862-1943) vom Schreibtisch auf und den Betrachter*innen seines Portraits direkt in die Augen. Bemerkenswert ist, dass das 1928 angefertigte Gemälde Hilberts als klassisches Ölbild ausgeführt wurde und damit zu einer Zeit entstand, als die Fotografie das Genre des Gelehrtenportraits bereits dominierte. Es zeigt, dass die einzelnen Portraitmedien nicht immer nur an eine bestimmte Zeit gebunden sind – auch wenn dies die Gliederung der Ausstellung nahelegt. Je nach Anlass und Funktion – wie hier der feierlichen Eröffnung des Mathematischen Instituts in Göttingen – bieten sich unterschiedliche Portraitmedien an, die jeweils eigene Zwecke erfüllen. So ist Hilbert prominent in der Ausstellung vertreten: Er taucht auf Cartes de Visite und Postkarten, als Ölgemälde und Büste auf. Jedes Medium schafft dabei – so könnte man überspitzt sagen – seinen eigenen Hilbert. Dabei sind fotografische Portraits gleichermaßen nah oder weit entfernt vom „wirklichen“ Hilbert, wie es die Büste oder das Ölbild sind.
Die Suche nach dem „wahren“ Hilbert findet so ganz unterschiedliche Antworten.